Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist mir kürzlich wieder begegnet:
„Dass ich eine Frau bin, ist in meiner Aufgabe völlig egal, denn es spielt gar keine Rolle für meine Mitarbeiter und Peerkollegen…“
So hat eine Klientin eine unserer ersten Sitzungen eingeläutet. Sie ist Führungskraft im IT-Umfeld eines großen Unternehmens. Alle ihre Mitarbeiter und vor allem auch alle ihre Direct Reports sind männlich. Bei ihr selbst fiel auf, dass sie sich große Mühe gab, sich möglichst männlich anzuziehen und sich auch so zu bewegen und zu geben. Sie schien sich ihren Kollegen maximal angepasst zu haben. Im Laufe unserer Zusammenarbeit und vor allem auch nach einer Feedbackrunde mit ausgewählten Kollegen wurde schnell klar, dass das Thema Frau und Frausein natürlich doch eine Rolle spielt und die Kollegen sich tatsächlich häufiger und mehr wundern über ihre Vorgesetzte und Kollegin. Gerade ihre betont barschen Verhaltensweisen gaben Anlass für Witze und führten zu Abstrichen im Respekt und der Kompetenzwahrnehmung.
Meist ist es gar nicht notwendig, betont hart, emotionslos, aggressiv oder angriffsbereit zu agieren, selbst wenn man bzw. frau auf weiter Flur die einzige Frau ist. Weder will ich Ihnen hier vorgaukeln, dass wir gendertechnisch alle superfortschrittlich sind, noch will ich Klischees strapazieren oder einzig richtiges Verhalten propagieren. Mein Punkt in diesem Thema ist eher grundlegend und hat mit Gender fast nichts zu tun. Er lautet: Wir tun alle gut daran, zu wissen wie wir wirken und zu dem zu stehen, was für alle anderen offensichtlich ist. Ich hätte diesen Beitrag auch überschreiben können mit der Aussage, die von einem Klienten aus dem arabischen Kulturkreis kam und die in unseren folgenden Gesprächen genauso widerlegt wurde. Er sagte zu Beginn: „Dass ich aus dem Ausland komme, spielt in meiner Position überhaupt keine Rolle.“
Wir haben manchmal blinde Flecken, wenn es darum geht, unsere eigene Wirkung einzuschätzen. Als ein Grundsatz können Sie immer davon ausgehen, dass andere alles an Ihnen wahrnehmen und interpretieren, was sie sehen können und von Ihnen hören. Gerade als Führungskraft werden Sie beobachtet, analysiert, interpretiert. Wenn Sie nichts über sich erzählen, wird es umso interessanter, dazu Fantasien zu entwickeln. Machen Sie sich bewusst, was eben da ist und andere sehen. Und was Sie nicht verändern können, wie die beiden Personen oben aus meinem Beispiel zeigen. Haben Sie immer Ihre Wirkung auf der Agenda. Sie wirken auf andere schon ohne ein Wort gesagt zu haben. Wenn Sie im Zweifel darüber sind, wie Sie auf andere wirken, fragen Sie vertraute Menschen, gute Kollegen oder auch einen Coach, Trainer oder andere Außenstehende, am besten Personen, die keine Aktien bei Ihnen im Spiel haben.
Wir nennen die Fähigkeit, sich selbst richtig gut einschätzen zu können, auch in der Wirkung auf andere, Selbstkompetenz. Was Sie dazu wissen sollten und wie Sie daran arbeiten können, stellen wir Ihnen in unserem Buch „Führen mit Präsenz“ vor.