Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist uns kürzlich wieder begegnet:

„So habe ich mir das alles nicht vorgestellt …“

Wir alle erleben derzeit, was es heißt, nicht eingreifen zu können. Die Ungewissheit und Einschränkungen, die wir gerade in Kauf nehmen müssen, machen uns bewusst – so drastisch, wie schon lange kein Ereignis mehr –, dass selbst der sicher geglaubte Plan oft dem Zufall unterliegt. Auf so viele Fragen hätten wir gerne klare Antworten. Kriegen sie aber nicht. Ungewissheit ist unangenehm, beängstigend und befremdlich, auf manche wirkt es lähmend und nagend, andere verfallen in Aktionismus. In keinem Fall lässt sich unser aller derzeitige Situation übersehen oder leugnen, denn wir sind alle involviert, sichtbar, fühlbar, manche heftig, manche am Rande, aber alle auf irgendeine Weise.

Derzeit durchlaufen wir eine Phase der ungewollten Veränderung, weil wir uns alle im persönlichen und beruflichen Umfeld arrangieren und anpassen müssen. Die Situation ist noch dazu eng verknüpft mit den ganz großen Fragen unserer Zeit zu Natur- und Klimaschutz, zu Segen und Grenzen der Globalisierung und zu den Chancen und Risiken der Digitalisierung.

Zeiten wie diese geben uns die große Chance, uns selbst noch ein Stück besser kennenzulernen. Psychologen wissen, dass ein externer Druck wie jetzt Corona unsere Muster verstärkt. Wir tun also mehr desselben, was wir sonst auch tun, im Guten wie im weniger Guten.

Könnte es zum Beispiel sein, dass alle, die im Moment von einem Digitaltermin zum nächsten Video Call hetzen, dieselben sind, die sonst eben auch einen übervollen Kalender haben? Und könnte es sein, dass andere, die auch sonst in der Lage sind, sich die Zeitinseln gut einzurichten, es eben auch gerade wieder tun?

Gerade sind besondere Fähigkeiten gefragt: Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen, Pläne zu hinterfragen und zu revidieren, sein Team und sich selbst vom Homeoffice aus zu organisieren, loszulassen, anzunehmen und Freiheit zu gewähren, neue Modelle auszuprobieren oder gar zu ersinnen, neue Angebote am Markt zu platzieren, eine andere Art Kreativität an den Tag zu legen, als „normalerweise“ gefordert oder gar erlaubt. Interessanterweise  geht gerade auch ein bisschen mehr als sonst. Wer sich jetzt traut, neue Fähigkeiten in diesem großen und allgemeinen Übungsraum, den wir gerade haben, nach vorne zu bringen, der wird auffallen. Wer sich gerade eingestehen muss, dass er das nicht gut kann, hat jetzt die große Chance, es gemeinsam mit vielen anderen besser zu erlernen und daran zu wachsen.

Jetzt ist die Zeit, Ihre Experimentierkompetenz zu trainieren, denn  momentan sind kreative Wege und Lösungen gefragt. Auch wenn wir gerade alle im Social Distancing die Abstinenz von Kontakten üben, ist jetzt die Zeit, in der es auf Präsenz ankommt.

 

Dieses Zitat gefällt mir dazu:

„Das Leben ist es, das Fragen stellt; wir sind die Befragten, wir haben zu antworten. Äußere Krisen bedeuten die große Chance, sich zu besinnen. Mensch sein heißt niemals, nun einmal so und nicht anders sein zu müssen. Mensch sein heißt immer, auch anders werden zu können.“ (Viktor Frankl)