Es gibt Sätze, die wir im Coaching immer wieder hören. Einer davon ist mir kürzlich wieder begegnet:
„Ich will doch nicht den Eindruck erwecken, nicht authentisch zu sein.“
Authentizität ist eine Eigenschaft, die in den letzten Jahren einen richtigen Hype erlebt hat und mittlerweile sogar eine Gegenbewegung in der Managementtheorie in Gang gesetzt hat, die verkürzt lautet: „Sei bloß nicht authentisch, sei lieber professionell!“ Wenn ich diesen oder ähnliche Sätze zur Authentizität im Coaching höre, biete ich immer gerne Reflexion zur Authentizität an. Im Führungsalltag spielt dabei die innere Haltung zur Aufgabe, eine ganz wesentliche Rolle und führt schnell zu der spannenden Frage: welchem Teil von mir will ich authentisch bleiben, mir als Mensch, mir in der Rolle?
Psychologisch gesehen entspringt der Wunsch nach authentischem Ausdruck einem tiefen Bedürfnis des Menschen, nämlich der Sehnsucht nach Originalität, Einzigartigkeit und Echtheit. Dieses Verlangen begleitet uns auch in unserem Konsumverhalten, wenn wir uns Gegenstände und Objekte als Statussymbole zulegen. Durch Gutachten oder verbriefte Labels überzeugen wir uns gerne von der Wahrhaftigkeit und der Echtheit des Erworbenen. Leider ist diese Art von Überprüfung bei Menschen und ihrem Verhalten nicht machbar. Denn Authentizität ist höchst individuell. Es gibt kein vorgefertigtes Muster, mit der sich Menschen testen, bewerten und messen lassen. Daher fällt es uns oft schwer, die wahrgenommene Authentizität unseres Gegenübers zu begründen. Aus diesem Grund lohnt es sich, einen Blick auf die unterschiedlichen Facetten zu werfen, die zusammengenommen erst Authentizität im Auge des Betrachters entstehen lassen.
Was sind also die Facetten der Authentizität? Ein authentischer Mensch besitzt erstens ein Bewusstsein für seine Handlungen und Taten. Diese Art der Selbstreflektion kann erlernt werden und wird gleichzeitig im tagtäglichen Geschehen immer wieder auf die Probe gestellt. Wenn wir zum Beispiel Entscheidungen treffen, liegt es immer wieder an uns selbst zu überprüfen, ob diese unseren tatsächlichen Zielen und Vorstellungen entsprechen. Die zweite entscheidende Facette ist Disziplin in Bezug auf die eigenen Werte und die damit verbundene Überzeugung, diese Werte hochzuhalten und zu repräsentieren. Denn Authentizität lebt nicht vom Moment, sondern von der Dauerhaftigkeit. Nicht ohne Grund werden authentische Menschen oftmals mit dem Attribut der Zuverlässigkeit versehen. Aber reicht allein dies aus, um von seiner Umwelt als authentisch wahrgenommen zu werden? Die klare Antwort darauf lautet: nein. Denn ein drittes und entscheidendes Merkmal fehlt: die Aufrichtigkeit. Besonders im Führungsalltag werden Führungskräfte genau dann als authentisch wahrgenommen, wenn sie ihre Entscheidungen transparent und nachvollziehbar kommunizieren. Mitarbeiter und Vorgesetzte erwarten, dass der vorgetragene Beschluss einer reellen Aufrichtigkeit entspringt und auf ehrliche Weise dargebracht wird. Letztlich ist es die Art und Weise, wie wir kommunizieren, die den Ausschlag gibt und der Schlüssel für unsere authentische Ausstrahlung darstellt.
Wenn Führungskräfte authentisch in der Wahrnehmung der anderen handeln, dann agieren sie mit Bewusstsein und mit Disziplin im Handeln und mit Aufrichtigkeit in der Kommunikation. Im Umkehrschluss heißt dies: spontanes und impulsives Handeln, Disziplinlosigkeit und ein Hang zur Verschleierung oder Intransparenz wird niemals als authentisch wahrgenommen, sondern erzeugt Misstrauen. Versuchen Sie also lieber nicht Ihre Authentizität durch eine rhetorische Wolke zu formen, sondern zeigen Sie sich durch Ihre Taten und Handlungen. Simon Sinek, ein britischer Autor und Wirtschaftsdozent, formulierte dazu den treffenden Satz: „Authenticity is more than speaking; Authenticity is also about doing. Every decision we make says something about who we are.”