Heute will ich Ihnen den ersten Baustein unseres Modells für Präsenz aus unserem Buch „Führen mit Präsenz“ vorstellen: die Selbstkompetenz. Es gibt Sätze und Zitate, die man nicht schöner sagen kann, als kluge und bekannte Menschen es vor uns schon getan haben:
„Ich wäre nämlich gerne ganz anders, aber ich komme so selten dazu.“
Dieses Zitat des ungarischen Schriftstellers Ödön von Horvath aus einem seiner Theaterstücke ist eine augenzwinkernde Umschreibung des ersten Bausteins der Präsenz, nämlich der Selbstkompetenz. Bei der Selbstkompetenz geht es um die Fähigkeit, sich selbst wirklich gut einzuschätzen und zu kennen als grundlegende Basis dafür, an der eigenen Präsenz überhaupt arbeiten zu können. Erst, wenn ich bereit bin wahrzunehmen, welche Bedürfnisse und Werte ich habe, wo genau mein Selbstbild von meinem Fremdbild abweicht und woran das liegen könnte, erst dann habe ich das Handwerkszeug und das Denkzeug, um aus meiner Komfortzone herauszugehen und mich willentlich und selbstgesteuert weiterzuentwickeln. Zur Selbstkompetenz in diesem Sinne gehört sowohl die Selbsterkenntnis als auch die Selbstakzeptanz.
Was in diesen profanen Worten daherkommt, ist für Führungskräfte, wie auch übrigens für alle anderen, harte Arbeit und oft verbunden mit bitteren Erkenntnissen, Selbsteingeständnissen von Schwächen und Limiten, Aufdeckung von Lebenslügen und durchaus auch Verabschiedung von lange gehegten Träumen. Das tut häufig weh, deswegen ist es verständlich, wenn wir manchmal lieber weg- als hinschauen oder ablehnen, uns darüber auszutauschen. Und doch helfen all diese Erkenntnisse unendlich viel weiter, um unsere Präsenz nach außen und nach innen zu verstärken und zu erweitern. Die Klarheit über mich selbst, über meine Motive, meine Identität und vor allem auch über meine Begrenzungen, meine Fallen und Verführungen können eine wichtige Kraftquelle sein und zu dem Teil unseres inneren Kompasses werden, der uns stark genug macht für kritische Momente und für wirkliche Herausforderungen, die uns etwas abverlangen.
Mit genau diesem Teil der Erkenntnis beginnt Präsenz. Genauso und auch nur so können wir Sicherheit, Offenheit und Mut stärken und einsetzen. Das wichtigste Element in der Selbstkompetenz ist, insbesondere die für uns schwierigen Themen nicht auslassen, sondern anzunehmen und mit den Limiten zu arbeiten, nicht gegen sie. Denn alles, was wir verleugnen oder nicht wahrhaben wollen, hat keinerlei Chance verändert zu werden, sondern bleibt und kann uns quälen und ärgern.