Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist mir kürzlich wieder begegnet:
„Ich will mich nicht verbiegen für den Job. Wenn es nur so geht, dann gehe ich lieber…“
Jede Position hat schöne und angenehme Seiten, die uns liegen und die wir mögen, aber auch mindestens ebenso viele unangenehme, herausfordernde, bisweilen sogar überaus lästige Pflichten, die dazu gehören und ohne die Sie die angenehmen Seiten nicht haben könnten. Dem Versandhandelspionier und Unternehmer Werner Otto wird das Zitat zugesprochen „Für die zehn Prozent der Arbeit, die mir Spaß machen an meinem Job, muss ich neunzig Prozent Unangenehmes ertragen.“
Das Thema Verbiegen oder Sich-anders-verhalten, als man eigentlich ist, könnte auch so übersetzt werden: Unsere Rolle als Führungskraft verlangt uns häufig Verhaltensweisen ab, die unserer eigentlichen Persönlichkeit nicht entsprechen oder die uns gar zuwider sind. Manche empfinden die sich wiederholenden Ansprachen in bestimmten Gremien als schier unerträglich. Wissensvorsprünge zu heiklen Themen wie baldige Entlassungen oder sehr weitreichende Veränderungen etc. können quälend sein. Auch das Vertreten von Beschlüssen, hinter denen man selbst nicht steht, kann uns mächtig in Bedrängnis bringen. Die Frage ist dann, ob ich mich vor meiner eigenen inneren moralischen Instanz tatsächlich verbiegen muss, oder ob es doch noch eine andere Möglichkeit gibt, mich für die Erfüllung meiner Rolle zu strecken und daran ein Stück zu wachsen. Indem ich lerne und merke, dass es beim nächsten Mal gar nicht mehr so schwer ist oder sich gar nicht mehr wie ein Verbiegen anfühlt. Indem ich akzeptieren kann: Ok, das ist ein Teil des Jobs, der auch notwendig ist – auch wenn ich ihn nicht mag. Bisweilen liegt hinter dem vermeintlichen „Verbiegen“ nichts weiter als die Notwendigkeit, die eigene Komfortzone zu verlassen. Und leider gibt es bekanntlich nur jenseits der eigenen Komfortzone persönliche Weiterentwicklung. So könnte die Last des Verbiegens auch als Chance zum Wachsen erkannt werden.
Mehr dazu können Sie in meinem neuen Buch „Führen mit Präsenz“ lesen, das ich gerade gemeinsam mit meiner Kollegin Anja Struchholz veröffentlicht habe. Das oben beschriebene Phänomen hat mit Selbst- und Rollenkompetenz zu tun. Beide Fähigkeiten sind wesentliche Bausteine der Präsenz im Job. Und die brauchen Sie, um Ihren Erfolg zu sichern.