Es gibt Sätze, die wir im Coaching öfter hören. Einer davon ist mir kürzlich wieder begegnet:
„Manchmal weiß ich nicht mehr, ob ich noch richtig in meiner Aufgabe bin. Alles wird immer mehr, immer schneller, immer komplexer. Ich könnte 24/7 durcharbeiten und wäre nicht fertig!“
Kennen Sie dieses Gefühl, in Ansätzen vielleicht oder phasenweise? Vielleicht sogar aktuell in den vergangenen Wochen im Homeoffice, wo die privaten und beruflichen Zeiten ohnehin noch näher zusammenliegen. Oder von anderen. Vielleicht haben Kollegen oder Freunde schon Ähnliches zu Ihnen gesagt. Oder sogar von Burnout oder übermäßigem, nicht mehr beherrschbarem Stress gesprochen. Von Schlafstörungen und schlechter Laune, die nur noch mit Alkohol oder Tabletten zu beheben sind.
Möglicherweise denken Sie sich aber auch: Nein, mir könnte das nie passieren.
Unsere Erfahrung im Coaching zeigt, dass es öfter passiert als man denkt, und dass es auch die „Stärksten“ treffen kann. Mitunter diese ganz besonders sogar, weil gerade leistungsstarke Menschen dazu neigen, Warnsignale erst einmal zu ignorieren. Überlastung wird gerne als machbare Herausforderung und manchmal auch als vorübergehende Schwäche empfunden: „Das geht doch. Es ging doch immer.“ Selbst mit Todesfall oder ernsten Krankheiten im nahen Umfeld oder bei sich selbst muss die gewohnt hohe Leistung gebracht werden. Auszeiten sind etwas für Weicheier. Ebenso Sabbaticals. Und freiwillig nach unten schrauben ist nicht im Plan vorgesehen. Oder?
Hohe Leistungsbereitschaft geht in der Regel einher mit einer gut gefüllten Batterie an Energie, Tatkraft und Stärke. Die Erfolge in der Aufgabe und die Resonanz darauf geben uns etwas zurück. Dennoch gibt es auch immer wieder die Zeiten, in denen wir merken, dass „etwas“ nicht mehr so läuft. Eigentlich hat sich nichts verändert, trotzdem ist es anders. Die gleichen Tätigkeiten wie vorher ziehen uns die Energie ab und hinterlassen uns erschöpft, ausgelaugt oder in hohem Maße angestrengt bis hin zur kraftlosen Unsicherheit. Häufig sind es private Anlässe, die das Fass zum Überlaufen bringen und so viel Energie und Aufmerksamkeit benötigen, dass das Gleichgewicht dauerhaft gestört wird.
Wir schädigen uns langfristig selbst, wenn wir nicht den Blick auf unsere Ressourcen bewahren; wenn wir nicht auch einmal Pausen einlegen; Auszeiten zulassen gerade auch in schwierigen privaten Situationen. In der Theorie des Mindful Leadership ist die Steuerungsfähigkeit der eigenen Energie der Schlüssel und das Zentrum des Handelns als Voraussetzung für ein bewusstes Verhalten. In schwierigen Zeiten kann genau diese Steuerungsfähigkeit verloren gehen. Häufig ist es daran zu bemerken, dass Menschen fahrig, nervös, unkonzentriert oder gar abwesend und desinteressiert wirken. Im fortgeschrittenen Zustand ist dringend eine Unterstützung von außen erforderlich.
Peter F. Drucker: Nur wenige Menschen sehen ein, dass sie letztlich nur eine Person führen können und auch müssen. Diese Person sind sie selbst.